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Schenkung eines vermieteten Mehrfamilienhauses unter Nießbrauchsvorbehalt

Wertminderung durch einen Nießbrauch

Ein Vorbehaltsnießbrauch mindert den Wert eines vermieteten Mehrfamilienhauses. Dadurch mindert sich der Wert, nach dem die Schenkungsteuer berechnet wird. 

Wahlrecht des Beschenkten

Der Beschenkte kann den Wert nach den steuerlichen Vorschriften berechnen lassen. Er kann ihn aber auch nach den Regeln des Zivilrechts ermitteln lassen. Und wenn sich die Werte unterscheiden, was nahezu immer der Fall ist, dann ist der niedrigere Wert maßgebend. 

Ein Praxisbeispiel

Die Wertminderung durch den Nießbrauch kann durchaus hoch sein. Dazu ein Beispiel: Der Sachverständige hat ein Mehrfamilienhaus bewertet. Es hatte einen Wert von rd. 2.800.000 €. Ein Vorbehaltsnießbrauch zugunsten der Schenkerin, die 55 Jahre alt ist, würde diesen Wert auf 150.000 € mindern. Ein Kind, das seinen Freibetrag von 400.000 € hat, bekommt das Grundstück also umsonst. Selbst in der schlechtesten Steuerklasse mit einem Freibetrag von 20.000 € und einem Steuersatz von 30 % ist das immer noch ein Schnäppchen.

Wert des unbelasteten Grundstücks

Das Finanzamt berechnet den steuerlichen Wert des Grundstücks nach den Regeln des Bewertungsgesetzes (BewG). Der Sachverständige bewertet nach den Regeln der Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Immobilien und der für die Wertermittlung erforderlichen Daten (ImmoWertV). Beide suchen den gleichen Wert. Im Schenkungsteuerrecht ist es der gemeine Wert, im Zivilrecht ist es der Verkehrswert. Die beiden Begriffe sind inhaltlich identisch. Auch die Bewertungsverfahren entsprechen sich in den Grundzügen. Aber, wie kaum anders zu erwarten, die Verfahren unterscheiden sich im Detail, in dem bekanntlich der Teufel steckt. Deshalb ist es wenig verwunderlich, dass sich die Ergebnisse unterscheiden.

Wert des Nießbrauchs

Da der Nießbrauch auf die Lebenszeit des Nießbrauchers besteht, wird sein Wert nach den Regeln der Finanzmathematik berechnet. Dabei ist vor allem von Bedeutung die Dauer des Nießbrauchs, also die statistische Lebenserwartung des Berechtigten. Von Bedeutung ist auch, wie hoch die künftigen Mieterträge  ausfallen. Und von Bedeutung ist schließlich , mit welchem Zinssatz sie abgezinst werden. Als Endergebnis ergibt sich der abzugsfähige Wert des Nießbrauchs.

Das Finanzamt sucht den Kapitalwert des Nießbrauchs nach den Regeln des BewG. Sie geben die statistische Lebensdauer des Nießbrauchers, die Zahlungsweise und den Zinssatz bindend vor. Auch der Sachverständige orientiert  sich an diesen Vorgaben. Aber er ist daran nicht gebunden. Außerdem orientiert er sich an der vereinbarten Zahlungsweise und rechnet mit dem Liegenschaftszinssatz.

Wert des belasteten Grundstücks

Das Finanzamt nimmt den Steuerwert des unbelasteten Grundstücks, mindert ihn um 10 % und zieht davon den entsprechend geminderten Wert des Nießbrauchs ab. Damit ist es fertig. Der Sachverständige nimmt den vollen den Verkehrswert des unbelasteten Grundstücks und zieht davon den Kapitalwert des Nießbrauchs ab. Aber damit hat es für ihn kein Ende. 

Marktanpassungsabschlag

Denn der Sachverständige nimmt zusätzlich noch einen Marktanpassungsabschlag vor, der die mit dem Nießbrauch verbundenen wirtschaftlichen Risiken abbildet, die noch nicht in die Bewertung eingegangen sind.

Besonders ins Gewicht fällt dabei die tatsächliche restliche Lebensdauer des Nießbrauchers. Denn sie deckt sich nicht zwangsläufig mit seiner statistischen Lebensdauer. Daher besteht ganz generell das Risiko, dass der Nießbraucher länger lebt, als die Statistik vorgibt. Dazu ein Beispiel: Frau Calment, eine Französin, wurde 122 Jahre alt. Im Alter von 90 verkaufte sie eine Eigentumswohnung gegen eine lebenslange Rente. Als der beim Kauf 47jährige Käufer, der sich an der Statistik orientiert hatte, 30 Jahre später starb, hatte er bereits den doppelten Wert der Wohnung gezahlt. Und seine Witwe zahlte die Rente noch zwei Jahre weiter.

Die Qual der Wahl

Das Finanzamt rechnet kostenlos, der Sachverständige nicht. Das wiederum lässt im Vorfeld fragen, ob sich sein Gutachten lohnt. Denn die Kosten dafür müssen deutlich geringer sein als die mit dem Gutachten ersparte Schenkungsteuer. Erfahrungsmäßig ist das auch so, weshalb sein Gutachten einen monetären Gewinn verspricht.

Bei der Entscheidung hilft eine Faustregel aus der Praxis, die lautet: Wenn der Schenker oder die Schenkerin nicht älter als 65 Jahre ist, mindert der Vorbehaltsnießbrauch den Verkehrswert des Grundstücks auf 10 %. Es muss also nur der verbleibende Restbetrag des Verkehrswert mit dem geminderten Steuerwert verglichen werden, und man weiß, wohin die Reise geht.

Vorzeitiger Tod des Nießbrauchers

Stirbt der Nießbraucher vor dem Ablauf seiner statistischen Lebenserwartung stirbt, kann das steuerlich zu einer rückwirkenden Erhöhung des geminderten Grundstückswerts und dadurch zu einer höheren Schenkungsteuer führen. Aber auf den Wert, den der Sachverständige ermittelt hat, wirkt sich ein vorzeitiges Sterben nicht aus. Er bleibt unverändert.

Auswahl des Sachverständigen

Nicht alle Sachverständigen können mit dem Marktanpassungsabschlag umgehen. Manch einer kennt ihn nicht, ein anderer weiß nicht, wie man ihn so begründet, dass ihn das Finanzamt übernimmt. Wie so oft im Leben gilt also auch hier: Vorher fragen hilft.

 


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